Synoptisch-Mittelfrist Deutschland heute
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 04.12.2023 um 10.30 UTC
Vorläufiges Ende der Winterepisode: Milder und Regen, im Übergangsbereich zur Frostluft Glatteis. Am Wochenende zunehmend windig, Sturm möglich!
Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 11.12.2023
Die heutige Mittelfrist (07.12.-11.12.) startet mit einer klassischen Lage "zwischen den Stühlen". Über Nordwestrussland plustert sich ein blockierendes Hoch mit reichlich kaltem Fuß auf über 1050 hPa auf, währenddessen vom Nordatlantik her mit einem strammen, leicht mäandrierenden Jetstream wiederholt Störungen gen Westeuropa gesteuert werden. Da die Stoßrichtung des Jets respektive der Frontalzone zunächst eher südöstwärts in Richtung westliches Mittelmeer gerichtet ist und sich das blockierende Hoch bis weit ins östliche Mitteleuropa und nach Südosteuropa ausdehnt, tut sich ein nennenswerter Luftmassenwechsel bei uns in Mitteleuropa schwer. Die bodennahe Kaltluft hält sich wacker und wird durch eine Strömung mit oftmals noch starker Ostkomponente sogar weiter genährt. Erst ab dem Wochenende und spätestens zur nächsten Woche stößt der Jet zunehmend zonal orientiert bis nach Mitteleuropa vor. Diesem atlantischen Druck ist dann auch das blockierende Hoch nicht mehr gewachsen und zieht sich mitsamt der Kaltluft zumindest vorübergehend nach Osten zurück. Der Vorstoß maritimer Warmluft mit verzögertem propagieren zum Boden bedeutet "Warme-Nasen-Alarm" und eine maximal undankbare Situation für die Warnmeteorologen, die sich von West nach Osten beim Übergang von Schnee zu Regen
immer wieder der gefrierenden Phase mit Glatteisbildung konfrontiert sehen.
Am Donnerstag heißt es erst mal durchschnaufen und Kräfte sammeln, ein ostwärts durchschwenkender Rücken sorgt vorübergehend für Zwischenhocheinfluss. Die leichten Niederschläge, die in der Osthälfte bei mehr oder weniger deutlich negativen 850-hPa-Temperaturen meist als Schnee fallen, lassen alsbald nach.
Am Freitag nähert sich allerdings bereits das Residuum des zum Mittelmeer abtropfenden Westeuropatroges und schwenkt am Samstag ost-nordostwärts über Deutschland hinweg. Die okkludierte Front des sich über Großbritannien bzw. der Nordsee auffüllenden Tiefs zieht mit leichten Niederschlägen ebenfalls ostwärts. Da schon im Vorfeld niedertroposphärische WLA aufkommt und die Temperaturen auf 850-hPa vorübergehend deutlich über die 0-Grad-Grenze steigen, fällt zumeist Regen. Während sich im west- und nordwestdeutschen Tiefland die milde Luft auch bodennah rasch durchsetzt, ist bei zumindest anfangs noch frostigen Verhältnissen im Mittelgebirgsraum und nach Osten zu gefrierender Regen und Glatteis wahrscheinlich, Unwetter vor allem in den zentralen Mittelgebirgen durchaus möglich. Nach Osten zu wird die Lage unsicher, da einerseits die Niederschläge nachlassen und andererseits durch die hebungsbedingte Abkühlung die Schneephase etwas an Bedeutung gewinnen könnte. Der Südost- bis Südwind frischt auf und bringt einigen Kammlagen und der offenen Nordsee stürmische Böen
oder Sturmböen.
Am Sonntag und Montag laufen aus dem hochreichenden Tief über dem nahen Nordostatlantik mehrere kurzwellige Troganteile heraus und ziehen über das nördliche Mitteleuropa ostwärts. Damit geht die bereits eingangs erwähnte Zonalisierung der Strömung über West- und Mitteleuropa einher. Die Kurzwellen begünstigen die Entwicklung kleiner Randtiefs, deren Intensität und Zugbahn aber
natürlich noch größeren Unsicherheiten unterliegen. In jedem Fall kommen mit den
Tiefausläufern neue Niederschläge auf, die in maritim erwärmter Nordatlantik-, nach Süden zu teils auch Subtropikluft fast ausschließlich als Regen fallen. In den Alpen taut es bei 850-hPa-Temperaturen von mitunter deutlich über 5 Grad vorübergehen bis in Lagen oberhalb von 2500 m. Da sich über dem Süden und an den
Alpen zudem ein Schleifen der Fronten und länger anhaltende Regenfälle andeuten,
sind warnrelevante Abflussmengen (Dauerregen/Tauwetter) ins Auge zu fassen. Gefrierender Regen mit lokaler Unwettergefahr ist zumindest zu Beginn der Niederschläge im Nordosten, Osten und Südosten, wo sich Reste der Kaltluft halten und die Böden eventuell noch gefroren sind, nochmal möglich. Spätestens mit Winddrehung auf Südwest bis West ist aber auch das passé. Apropos Wind: Im Bergland und an der See sind Sturmböen wahrscheinlich, je nach Ausprägung der Randtiefs aber auch im Binnen- und Tiefland nicht ausgeschlossen. Im Küstenumfeld und im Norden besteht eine geringe Gefahr eines schweren Sturmes.
In der erweiterten Mittelfrist (ab dem 12.12.) scheint sich die (südliche) Westlage fortsetzen zu wollen. Dabei bleibt es vor allem nach Süden zu eher mild
mit weiteren, auch mal kräftigeren Regenfällen und Tauwetter. Ansonsten besteht zumindest die Möglichkeit, dass wieder etwas kühlere Luft angezapft werden könnte, sodass es wenigstens im Bergland wieder für Schnee reichen würde.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Zu Beginn der Mittelfrist am Donnerstag und Freitag kann dem IFS noch eine gute Konsistenz bescheinigt werden. Am Samstag und Sonntag nimmt sie dann aber vorübergehend deutlich ab. In den gestrigen beiden IFS-Läufen (00Z und 12Z) vollzog sich das Abtropfen des westeuropäischen Troges deutlich verzögert, sodass das Trogresiduum zurückgehalten wurde und nur sehr langsam im Laufe des Wochenendes auf Deutschland übergreifen konnte. Dies hatte zur Folge, dass in weiten Teilen des Landes selbst am Wochenende noch eine südöstliche bis östliche
Bodenströmung vorherrschte, mit der fortwährend kalte Luft herangeführt werden konnte. Im jüngsten IFS-Lauf von heute Morgen schwenkt das Residuum schon am Samstag ostwärts durch, sodass sich mit Winddrehung auf Süd bis Südwest schneller mildere Atlantikluft durchsetzen kann. Zu Beginn der nächsten Woche gleichen sich die Modellläufe wieder an. Im Zuge weiterer, von Westen hereinschwenkender, atlantischer Tröge soll sich unisono eine westliche Strömung über Deutschland durchsetzen, sodass sich auch nach Osten zu zumindest vorübergehend deutlich mildere Luft durchsetzen kann.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Das bereits am Samstag ostwärts durchschwenkende Trogresiduum haben auch die anderen an dieser Stelle üblicherweise berücksichtigten Modelle im Programm. Das
Szenario des IFS-00Z-Laufs von heute Morgen mit der etwas zügigeren Milderung schon im Laufe des Wochenendes wird dadurch gestützt. Auch im weiteren Verlauf gehen GFS, ICON & Co. mit IFS und simulieren eine mehr oder weniger stark mäandrierende westliche Strömung, die sich zügig von West nebst der deutlichen Milderung bis nach Mitteleuropa durchsetzen soll. Sehr variabel werden allerdings die Randtiefs simuliert. Es fällt aber auf, dass fast
jedes Modell zumindest eine, etwas "knackigere" Entwicklung über der Nordsee in petto hat, GFS und ICON eher am Sonntag, IFS etwa 12 Stunden später ab der Nacht
zum Montag. Es riecht also schon sehr nach eine Sturmlage, vor allem für die Nordwesthälfte im Laufe des Wochenendes und zu Beginn der nächsten Woche.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
IFS-EPS:
Die "Rauchfahnen" der 850-hPa-Temperatur sind über weite Strecken der Mittelfrist erstaunlich eng gebündelt, wobei der deterministische Lauf stets gut
eingebettet ist. In der Westhälfte gelingt dabei schon am 7.12. (Donnerstag) der
Sprung auf positive Werte, nachfolgend mäandriert das Mittel bis zum 11.12. (Montag) leicht zwischen +1 und +5 Grad. In der Osthälfte erfolgt der Temperatursprung erst am 8.12. (Freitag), danach schwankt das Mittel zwischen -2
und +2 Grad. Die niedertroposphärische Milderung ist also, wenn man den wenigen Ausreißer nach unten nicht übermäßig viel Bedeutung beimisst, ziemlich sicher, sowohl zeitlich als auch räumlich. Schaut man sich aber die "Boxplots" der 2m-Temperatur an, sieht das vor allem im Osten und Südosten etwas diffuser aus. Zum einen scheint die Unsicherheit größer, zum anderen verzögert sich die bodennahe Milderung teils um gut 24 Stunden. Das passt auch zu den prognostizierten vornehmlich südöstlichen Winden bis einschließlich Samstag. Wie
schnell sich die Milderung im Osten und Südosten am Wochenende tatsächlich "bis runter" durchsetzt, ist also noch unsicherer, als man vielleicht mit Blick auf die "850er" glaubt. In der erweiterten Mittelfrist ab dem 12.12. (Dienstag) deutet sich in erster Näherung wieder ein leichter Temperaturrückgang auf 850 hPa an, bei allerdings zunehmend starkem "Grundrauschen". Beständige Niederschlagssignale deuten auf fortwährenden zyklonalen Einfluss hin, also normalisierter Temperaturschichtung (unten mild, oben kühler).
CLUSTER:
Die beginnende Zonalisierung über dem Nordatlantik schlägt sich bereits im Zeitraum +72-96 h in den Regimen wieder, in allen 5 Clustern dominiert klar NAO+. Nennenswerte Unterschiede mit Fokus auf Mitteleuropa lassen sich noch nicht ausmachen. Das ändert sich auch im Zeitraum +120-168 h kaum, auch wenn sich vorübergehend mal das BLOCKING-Regime unter die NAO+ Dominanz mischt. In Cluster 1-3 (42/51 Member + HL/CL) setzt sich die West- bis Südwestlage bis spätestens Montag durch
(leichte zeitliche Varianz). In Cluster 4 (9/51 Member) hält die osteuropäische Blockade erfolgreicher dagegen, sodass sich zumindest für das östliche Mitteleuropa noch eine fußkalte Ost-/Südostströmung erahnen lässt. Im Zeitraum ab +192 h wird nur noch 1 Cluster gebildet (NAO+), in dem über Mitteleuropa eine Westströmung vorherrscht.
FAZIT:
Die frühwinterliche Episode findet vorläufig ihr Ende. In der Westhälfte erfolgt
die Milderung bereits bis spätestens Freitag, in der Osthälfte mit noch gewissen
Unsicherheiten und Verzögerungen im Laufe des Wochenendes. Der sich schubweise vollziehende Luftmassenwechsel geht mit Niederschlägen einher, die rasch in Regen übergehen und insbesondere im Mittelgebirgsraum und nach Osten zu zu gefährlichem Glatteis führen können. Im Laufe des Wochenendes besteht zudem die Gefahr einer Sturmlage, insbesondere in der Nordwesthälfte. Die Andauer und Intensität der Tauwetterphase insbesondere im Süden Deutschlands und in den Alpen ist noch unklar, warnrelevante Abflussmengen aber im Bereich des Möglichen.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
GLATTEIS:
Zwischen Freitagabend und Sonntagvormittag besteht mit von Westen schubweise aufkommenden Niederschlägen im Übergangsbereich zu der vor allem über der Osthälfte recht zäh lagernden Frostluft wiederholt die Gefahr von gefrierendem Regen mit Glatteisbildung. Die Mengen lassen zumindest regional unwetterartiges Glatteis zu, nicht zuletzt auch weil die Böden mitunter tiefgefroren sind. Davon ausgenommen sind der Nordwesten und die westdeutschen Niederungen.
STURM:
Ab Freitag ist von zunehmendem Wind auszugehen, der am Wochenende von Südost allmählich auf Südwest bis West dreht. Sturmböen beschränken sich am Freitag und
Samstag zunächst auf exponierte Hochlagen, die Küste und eventuell Ostsachsen (Böhmischer Wind). Sonntag und Montag besteht dann vor allem in der Nordwesthälfte erhöhte Sturmgefahr, an der See und in Hochlagen sind schwere Sturmböen möglich.
DAUERREGEN/TAUWETTER:
Ab Montag kommt es bevorzugt im Süden und im Alpenraum zu länger andauernden Niederschlägen, die vorübergehen bis auf über 2000 m in Regen übergehen können. Dann könnte es zu warnrelevanten Abflussmengen kommen (bis 50 l/qm in 24 h bzw. 60 l/qm in 48 h), allerdings ist die Andauer und Intensität der Tauwetterphase noch unsicher.
Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det.+EPS, MOS-Mix
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser |